36. Deutscher Naturschutztag in Hannover
Unter dem Titel „Naturschutz jetzt! Natur. Landnutzung. Klima.“ fand vom 28.06. bis zum 02.07.2022 der 36. Deutscher Naturschutztag in Hannover statt. Geladen hatten der Bundesverband Beruflicher Naturschutz e.V., das Bundesamt für Naturschutz, der Deutsche Naturschutzring und das Niedersächsische Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz. Dr. Christina Mumm nahm für corsus teil.
corsus begleitet seit vielen Jahren Naturschutzgroßprojekte, zum Beispiel in Hamburg oder Krautsand und begleitet die Entwicklung von Leitbildern für Regionen . Zudem liegt ein Schwerpunkt der von corsus angebotenen Leistungen auf Biodiversität. In einer aktuell veröffentlichten Studie für den WWF Deutschland hat corsus erstmalig die Auswirkungen der Ernährung in Deutschland auf Biodiversität quantifiziert. Im Projekt Biodiversität in der Lieferkette, das durch das Bundesamt für Naturschutz gefördert wird, arbeitet corsus gemeinsam mit dem WWF Deutschland und Systain an einem Tool zur Risikoabschätzung von Biodiversität in Lieferketten. Der Deutsche Naturschutztag steht daher ganz oben auf der Agenda.
Das Programm bot hochkarätige Sprecher:innen aus Politik und Wissenschaft. Die eröffnenden Plenumsvorträge stellten den Zustand der Natur und die aktuellen Herausforderungen dar. Die großen besorgniserregenden Veränderungen im Naturhaushalt der Erde sind hinlänglich bekannt, ebenso die Treiber des Wandels. Die Ausbeutung der Ressourcen des Planeten hat ein solches Ausmaß angenommen, dass der Erdüberlastungstag („Earth Overshoot Day“), jedes Jahr früher erreicht ist. 2022 ist der Tag, an dem die Ressourcen verbraucht sind, die der Planet innerhalb eines Jahres zur Verfügung stellen kann, am 28. Juli erreicht. Für Deutschland war dies bereits am 4. Mai 2022 der Fall. Das Aussterben der Arten hat ein solches Ausmaß angenommen, dass es nicht mehr als Nischenproblem des Naturschutzes betrachtet werden kann. Wissenschaftler:innen sprechen inzwischen von der globalen Aussterbekrise, die sogar zur Ausrufung eines neuen Erdzeitalters geführt hat: dem Anthropozän. Der menschengemachte Klimawandel und der Verlust der biologischen Vielfalt verstärken sich gegenseitig. Die Landwirtschaft steht auf Platz eins als Verursacherin des globalen Biodiversitätsverlustes. Diese drei aufeinander wirkenden Aspekte werden als „Trilemma“ zusammengefasst, das es durch eine umfassende Transformation des menschlichen Verhaltens zu überwinden gilt. So schwebte über allen Diskussionen die Intention und das drängende Bedürfnis, im Naturschutz, inklusive seiner nahe verwandten Felder Biodiversität, Klimawandel, und Ernährung in Handlung und Umsetzung zu kommen. Die Frage, anhand welcher Zukunftsvision das Handeln ausgerichtet wird, sollte nicht vernachlässigt werden. Der Naturschutz kann dabei zugleich Ziel und Instrument des Wandels sein.
Schwerpunkte wurden in den einzelnen Foren gesetzt. Es wurde berichtet, wie Gewässer erfolgreich vor Nitratbelastung geschützt werden können, wie Grünland durch moderne und extensive Bewirtschaftung wieder hergestellt werden kann und unter welchen Voraussetzungen trocken gelegte Moore renaturiert werden können. Ein weiterer Schwerpunkt war der hohe Flächenverbrauch und dessen Eindämmung. Aber auch der rechtliche Rahmen inklusive seiner Chancen und Limitierungen wurde eindrucksvoll dargestellt. Auf globaler Ebene gibt die Biodiversitätskonferenz vor, welche Ziele in nationale Maßnahmen umzusetzen sind. Verbindlichkeit und Konsequenzen bei Nichteinhaltung wurden kritisch diskutiert. Ergebnis und Wirkung der Verfassungsbeschwerde gegen das Klimaschutzgesetz in Deutschland, sowie die Bedeutung des Artikel 20a GG eröffnen einen Möglichkeitsraum, wie der Schutz der Biodiversität juristisch behandelt werden könnte. Allerdings würde es dazu einer klar quantifizierbaren und allgemein anerkannten Größe für Biodiversität bedürfen. Diese noch kaum erfolgende Quantifizierung der Auswirkungen auf Biodiversität wurde ebenfalls bei Ökobilanzen für Unternehmen, bei politischen Vorgaben und bei der Zertifizierung nachhaltiger Landwirtschaft aufgezeigt. Der 36. Deutsche Naturschutztag machte deutlich, dass die angestrebte Transformation einer mutigen und vorausschauenden Politik und dem unermüdlichen Engagement aller wissenschaftlichen und ehrenamtlichen Naturschützer:innen bedarf. Eine Leitfrage für den Naturschutz ist, wie Menschen dauerhaft für die Natur begeistert und dafür gewonnen werden können, sich zu engagieren. Ein Aspekt davon könnte sein, dass allen Menschen ein einfach verständlicher und leicht umsetzbarer Zugang ermöglicht wird, wie sie im Alltag die biologische Vielfalt schützen können. Ein Ziel, das beispielsweise im Projekt „CLIF“, an dem corsus beteiligt ist, verfolgt wird.
Die Tagung diente auch als Forum, die Forderungen der Teilnehmenden in der “Hannoverschen Erklärung“ zu bündeln. Diese hält die Notwendigkeit der Transformation nochmals eindringlich schriftlich fest und gibt konkrete Handlungsanleitung, wie politische Ziele erreicht werden können. Sie benennt den natürlichen Klimaschutz, die Verbindung von Energiewende und Artenschutz, naturverträgliche Landnutzung, sowie eine Biodiversitätsoffensive. Der Appell lautet, dem Naturschutz ab sofort höchste Priorität zu geben.
Abgerundet wurde die Tagung durch ein interessantes Exkursionsangebot, eine große Ausstellung verschiedener Initiativen und NGOs, sowie durch moderne Kunst.
Aufzeichnungen der Eröffnungsrede und aus den Plenumsvorträgen können hier eingesehen werden https://www.deutscher-naturschutztag.de/live-stream
Projekte von corsus zum Schutz der Biodiversität:
Biodiversität in der Lieferkette