BfN-Projekt: Biodiversität in Ökobilanzen
Aufgrund der dramatischen Entwicklung ist der Schutz der Biodiversität eines der wichtigsten Ziele der Weltgemeinschaft. Zwei der 17 Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) der Agenda 2030 der Vereinten Nationen haben den Schutz der Ökosysteme, der genetischen Vielfalt und des Artenreichtums zum Ziel: Ziel 14 adressiert den Schutz der Meere, Ziel 15 (& 6.6) den Schutz der biologischen Vielfalt an Land. Denn die Folgen des Verlusts von Biodiversität betreffen nicht nur die Natur, sondern auch den Menschen in vielerlei Hinsicht. Zentrale Lebensgrundlagen wie Nahrung, sauberes Wasser und Medizin hängen maßgeblich von der biologischen Vielfalt und der Intaktheit der Ökosysteme ab. Gleichwohl sind in den letzten 50 Jahre so viele Arten ausgestorben wie nie zuvor, mit weiter steigender Tendenz und die Integrität der Biosphäre ist heute eine der vier überschrittenen planetaren Grenzen.
Um auch Wirtschaftsunternehmen verstärkt einzubinden, bedarf es insbesondere für international agierende Unternehmen weiterhin geeigneter Ansätze. In Ökobilanzen (Life Cycle Assessment, LCA) ist es jedoch bislang schwierig, die Auswirkungen von Produkten und Dienstleistungen auf Biodiversität abzuschätzen. Zwar existieren bereits einige methodische Ansätze, doch die Anwendbarkeit war bisher aufgrund der Komplexität außerhalb von Forschung und Wissenschaft kaum gegeben. Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) hat daher das Methodenentwicklungsprojekt „Weiterentwicklung der Ökobilanzen durch Integration der Biodiversitätsauswirkungen von Produkten“ (FKZ 3511 82 3100) gefördert, um Biodiversität in Ökobilanzen abbilden zu können.
Im Rahmen des Projektes wurde eine Methode entwickelt, die es Unternehmen ermöglicht, die Auswirkungen ihrer Produkte über deren Lebenszyklus auf die Biodiversität regionsspezifisch zu ermitteln und darzustellen. Als Maß für die Biodiversität einer beanspruchten Fläche wird das so genannte Biodiversitätspotenzial eingeführt. Die Beanspruchung der Fläche führt zu einem im Vergleich zu einem Referenzzustand veränderten Biodiversitätspotenzial. Die Änderung des Biodiversitätspotentials bildet dabei das Wirkungspotential von Produkt- oder Dienstleistungssystemen auf das Schutzgut Biodiversität in verständlicher Form ab, analog zu anderen Wirkungsindikatoren der Ökobilanzierung, z. B. Treibhauspotenzial oder Überdüngungspotenzial. Dabei werden Re-gionen unterschieden (sog. Ecoregions), die in ihrer Bedeutung für die globale Biodiversität variieren und innerhalb derer teilweise sehr unterschiedliche Ansätze zur Beschreibung von Biodiversität verwendet werden. Basierend auf den regionalen Zielen werden für die dortige Biodiversität, Parameter identifiziert, mit denen diese vor Ort quantitativ beschrieben werden kann. Innerhalb jeder Ecoregion wird der Zustand der Biodiversität durch ein eigenes Set von Parametern beschrieben. Auch der regional spezifische Referenzzustand wird durch die Ausprägung dieser Parameter definiert. Der Zusammenhang zwischen den Parametern und dem Biodiversitätspotenzial wird durch eine Gleichung beschrieben.
Im Rahmen von Fallstudien wurde die Methode für unterschiedliche Produkte angewandt. corsus war für die Fallstudien zu Lebensmitteln und Baumwolle zuständig. Die Anwendung zeigt, dass die Methode grundsätzlich geeignet ist, Aktivitäten abzubilden, die positiv oder negativ auf die Biodiversität wirken. Mit Hilfe der Methode können bei überschaubarem Aufwand Bereiche der Wertschöpfungskette identifiziert werden, die besonders hohe oder niedrige positive oder negative Wirkungen auf Biodiversität haben und somit Ansatzpunkte für Verbesserungen des Produktionsprozesses bieten.
Deutlich wurde durch die Anwendung in den Fallstudien auch, dass es weiterer Entwicklung bedarf, um die Methode breit in der Ökobilanz einzusetzen. Insbesondere müssen Standards der Anwendung erarbeitet und dabei auch verstärkt Methoden der empirischen Sozialforschung einbezogen werden. Die aufgestellten Biodiversitätspotenziale müssen vertieft naturschutzfachlich verifiziert und validiert werden sowie für weitere Regionen ergänzt werden. Die Ergebnisse bieten eine Diskussionsgrundlage für die Weiterentwicklung der Ansätze zur Berücksichtigung von Biodiversität in Ökobilanzen.